Umweltfreundlichere Lösungen für die Verpackungsindustrie
Die Herstellung von Papier ist energie- und wasserintensiv. Vor allem, wenn als Basis Fasern aus Frischholz zum Einsatz kommen. Seit vielen Jahren suchen daher Papier- wie Verpackungsindustrie nach Ersatzstoffen. Wir stellen die wichtigsten vor.
Deutschland ist Europas größter Papierproduzent – und das mit Abstand. Laut den CEPI Key Statistics 2023 wurden im Jahr 2024 rund 26 Mio. t Tonnen Papier und Karton hergestellt. Zum Vergleich: 2021 waren es noch 21 Mio. t. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Italien (8,4 Mio. t) und Spanien (8,1 Mio. t). Weltweit liegt Deutschland damit auf Rang vier.
Diese Zahlen zeigen: Die Papierindustrie ist ein bedeutender Wirtschaftszweig – aber auch ein ressourcenintensiver. Denn die Herstellung von Papier ist traditionell mit einem hohen Energie- und Wasserverbrauch verbunden. Besonders energieintensiv sind das Erhitzen und Trocknen der Papiermasse. Laut dem Verband Die Papierindustrie e.V. werden für die Produktion von 1 t weißem Papier durchschnittlich 2,6 bis 2,8 MWh Energie benötigt. Auch wenn ein Teil davon aus erneuerbaren Quellen stammt, bleibt der Verbrauch enorm.
Hinzu kommt der Wasserbedarf: Für die Herstellung von 1 t Frischfaserpapier werden etwa 13.000 l Wasser benötigt. Und auch die Lieferketten sind nicht ohne ökologische Fußabdrücke – Deutschland importiert rund die Hälfte seines Zellstoffbedarfs, was zusätzliche Transportemissionen verursacht.
Angesichts dieser Belastungen ist es kein Wunder, dass die Branche seit Jahren nach nachhaltigeren Alternativen sucht. Sowohl die Papier- als auch die Verpackungsindustrie experimentieren mit neuen Rohstoffen, die weniger Ressourcen verbrauchen und lokal verfügbar sind.
Die Liste der Materialien, die inzwischen verarbeitet werden, ist beeindruckend: Silphie-Fasern, Hanf, Gras und Stroh finden bereits Anwendung – sei es in Papier, Karton oder Faserguss. Andere wie Moorgräser befinden sich noch in der Entwicklungsphase und sind aufgrund begrenzter Verfügbarkeit noch nicht breit einsetzbar.
Die Richtung ist klar: Die Zukunft der Papierherstellung liegt in der Ressourcenschonung und Innovation. Deutschland hat als führender Produzent die Chance – und Verantwortung –, hier voranzugehen.
Die wohl interessantesten Alternativen zu Holzfasern
Bambusfasern
Bambusfasern sind natürliche Textilfasern, die aus dem Zellstoff von Bambuspflanzen gewonnen werden. Vorteile bei der Verarbeitung zu Papier: Bambuspflanzen wachsen extrem schnell und benötigen nur minimale Mengen an Wasser und Pestiziden. Dies macht Bambus zu einer sehr nachhaltigen und umweltfreundlichen Rohstoffquelle für die Papierindustrie. Papier aus Bambusfasern weist Zugfestigkeitswerte auf, die zwischen denen von Hart- und Weichholz-Zellstoffen liegen. Zudem bietet es deutlich höhere Berst- und Reißwerte. Dies ermöglicht die Herstellung von stabilem und belastbarem Papier. Die Bambusfaser ist sehr flexibel, was sich in einer glatten und angenehmen Oberflächenstruktur des Papiers widerspiegelt. Besonders bei der Herstellung von Tissue-Papieren kann diese Eigenschaft vorteilhaft genutzt werden.
Nachteile: Die Umwandlung von Bambus in Papierfasern erfordert einen komplexen chemischen Aufschlussprozess. Dabei kommen oft umweltbelastende Chemikalien zum Einsatz. Bambusfasern weisen im Vergleich zu Holzfasern einen höheren Gehalt an Verunreinigungen wie Asche, Kieselsäure und Extraktstoffen auf. Dies erfordert angepasste Verarbeitungsprozesse und kann die Papierqualität beeinträchtigen. Unbehandelter Bambus ist aufgrund seines hohen Gehalts an Zucker, Fett und Eiweiß anfällig für Schädlinge und Fäulnis. Dies erfordert zusätzliche Schutzmaßnahmen bei der Lagerung und Verarbeitung.
Gras
Grasfasern als Ersatz für Frischholzfasern oder recyceltem Papier sind seit etlichen Jahren auf dem Markt. Sie werden zur Papier- wie zur Kartonherstellung verwendet. Vorteile bei der Verarbeitung zu Papier: Gras wächst innerhalb weniger Tage nach, während Bäume Jahre oder Jahrzehnte benötigen. Die Verwendung von Grasfasern reduziert den Holzbedarf um bis zu 50 %. Gras ist in großen Mengen verfügbar und muss nicht extra angebaut werden. Der Herstellungsprozess von Graspapier ist deutlich umweltschonender als der für Holzzellstoff. Es werden weniger oder keine Chemikalien bei der Verarbeitung benötigt. Der Energiebedarf ist geringer, da kein Lignin entfernt werden muss. Dazu kommen niedrigere Transportkosten durch lokale Verfügbarkeit des Rohstoffs. All das sorgt für eine besser CO2-Bilanz.
Nachteile: Eingeschränkte Anwendbarkeit. Es benötigt immer noch einen Anteil an Holzfasern. In der Regel sind das zwischen 30 bis 50 %. Für bestimmte Anwendungen ist es noch nicht vollständig geeignet. Die Haltbarkeit und Festigkeit sind geringer als bei reinem Holzfaserpapier. Farbgebung und Druckqualität weisen Unterschiede auf. Die Umstellung auf Graspapier erfordert Anpassungen in der Industrie. Die Produktionskapazität ist noch nicht ausreichend, um einen größeren Papierbedarf zu decken. Preislich ist Graspapier nur bedingt wettbewerbsfähig
Hanf
Hanffasern sind natürliche Fasern, die aus dem Bast des Stängels der Hanfpflanze gewonnen werden. Vorteile bei der Verarbeitung zu Papier: Hanf hat einen dreimal höheren Faseranteil als Holz, was zu einem deutlich höheren Papierertrag pro ha Anbaufläche führt. Er benötigt weniger Wasser, Pestizide und Herbizide beim Anbau im Vergleich zu anderen Faserpflanzen wie Baumwolle. Die Papierherstellung aus Hanf erfordert weniger umweltschädliche Chemikalien, insbesondere beim Bleichprozess. Hanfpflanzen wachsen innerhalb von etwa vier Monaten, während Bäume für die Papierproduktion Jahre benötigen. Hanfpapier ist langlebiger als Papier aus Holzfasern.
Nachteile: Die Herstellung von Hanfpapier kann teurer sein als die konventionelle Papierproduktion aus Holz. Die Verarbeitung von Hanffasern zu Papier erfordert spezielle Techniken und Ausrüstung, was die Produktion komplexer machen kann. In vielen Ländern unterliegt der Hanfanbau aufgrund der Assoziation mit Marihuana strengen Regulierungen, was die Verfügbarkeit des Rohstoffs einschränken kann. Die Verbindung von Hanf mit Cannabis kann zu einem negativen Image führen, was die Akzeptanz von Hanfprodukten beeinträchtigen kann.
Silphie
Silphie-Fasern sind ein innovativer Rohstoff für die Papierherstellung, der aus der nordamerikanischen Silphie-Pflanze gewonnen wird. Vorteile bei der Verarbeitung zu Papier: Im Gegensatz zu Holz, das viele Jahre zum Wachsen benötigt, wächst die Silphie-Pflanze innerhalb eines Jahres nach und liefert reichlich Fasern für die Papierproduktion. Die Silphie fördert die Biodiversität und ist insektenfreundlich. Sie benötigt weniger Herbizide und Pestizide im Anbau. Durch ihre tiefe Verwurzelung verhindert sie Bodenerosion. Gegenüber Zellstoff weisen Silphie-Fasern eine deutlich geringere Klimawirkung auf. Die Silphie kann sowohl für die Papierherstellung als auch zur Biogaserzeugung genutzt werden. Die Reststoffe können anschließend als Dünger verwendet werden, was einen nachhaltigen Wirtschaftskreislauf ermöglicht. Ähnlich wie herkömmliches Papier können auch Produkte aus Silphie-Fasern recycelt und zu neuem Papier verarbeitet werden. Etliche Hersteller aus dem FMCG-Bereich wie Kaufland oder auch Lidl setzen Silphie-Verpackungen ein.
Nachteile: Bisher funktioniert die Papierherstellung aus Silphie-Fasern nur, wenn noch ein gewisser Anteil Zellstoff aus Holzfasern beigemischt wird. Aktuell liegt der Silphie-Faseranteil bei mindestens 35 %, mit dem Ziel, einen Mindestanteil von 50 % zu erreichen. Silphie-Papier hat einen merklich dunkleren Farbton als Papier aus reinem Holzzellstoff, was seine Anwendungsmöglichkeiten derzeit noch einschränkt.
Stroh
Stroh ist ein landwirtschaftliches Nebenprodukt, das hauptsächlich aus den trockenen Halmen von Getreide wie Weizen besteht. Vorteile bei der Verarbeitung zu Papier: Stroh ist ein landwirtschaftliches Nebenprodukt, das oft ungenutzt bleibt. Seine Verwendung in der Papierherstellung erhöht die Wertschöpfung in der Landwirtschaft. Im Vergleich zu Bäumen wächst Stroh jährlich nach, was eine schnellere und nachhaltigere Rohstoffgewinnung ermöglicht. Strohpapier kann für verschiedene Zwecke wie Schreib- oder Verpackungspapier verwendet werden. Vor kurzem haben Leipa und Outnature, eine Marke von Prezero (Schwarz Gruppe), angekündigt, am Standort Schwedt/Oder eine neue Strohfaserproduktionsanlage aufzubauen – für eine nachhaltige Papierherstellung.
Nachteile: Strohfasern sind kürzer als Holzfasern, was die Festigkeit des Papiers beeinflussen kann. Dies kann die Verwendung für bestimmte hochwertige Papiersorten einschränken. Die Verfügbarkeit von Stroh ist saisonabhängig, was die kontinuierliche Produktion erschweren kann. Die Verarbeitung von Stroh zu Papier erfordert spezielle Technologien und Anpassungen bestehender Produktionsanlagen, was zunächst Investitionen notwendig macht. Strohfasern können mehr Chemikalien zum Bleichen benötigen als Holzfasern, was die Umweltfreundlichkeit des Prozesses beeinträchtigen kann.
In Kooperation mit dem Fachmagazin neue Verpackung – Chefredakteur Philip Bittermann